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DVB-T2 – Fluch oder Segen?

Weniger als eine Minute Minuten Lesezeit

Einleitung
Seit dem 4. August 2003 gibt es in Berlin kein analoges Fernsehen mehr, denn dies wurde durch das Digital Video Broadcasting – Terrestrial (kurz DVB-T) abgelöst. Digitales Fernsehen versprach einen besseren Empfang in den Ballungsgebieten, mehr Sendervielfalt, mehr Komfort und bessere Qualität. Voraussetzung war jedoch, dass man nicht mehr einfach nur eine Antenne an das TV Gerät anschließen konnte, sondern man brauchte bei den meisten vorhandenen TV Geräten einen Receiver, der das DVB-T Signal verarbeiten konnte, um es direkt an den Fernseher weiter zu geben. Das Marketing für DVB-T setzte seinen Fokus vor allem auf den Begriff „Das Überall-Fernsehn“. DVB-T sollte die Grenzen sprengen und Fernsehen nicht mehr nur auf den Heimfernseher begrenzen, sondern es überall empfangbar machen, egal ob nun auf dem Laptop, Tablet oder anderen kleinen Geräten die es 2003 schon so gab. Die Empfänger für mobiles Fernsehen sind in der Tat auch sehr kompakt geworden und gibt es noch heute in Form kleiner USB Sticks.
In der Praxis hat man den wahren Nutzen von DVB-T eher nur während der Fussball WM in Deutschland zu Gesicht bekommen, denn zahlreiche Restaurants und Kneipen haben TV Geräte nach draußen gestellt gehabt und die Zuspielung erfolgte gerne über DVB-T Receiver. Nach der WM verschwanden die Kästen wieder weitestgehend und ich persönlich habe auch nie jemanden mit Laptop im Park gesehen, um fernsehen zu schauen, was eigentlich eh kaum ein Genuss sein kann, denn Sonne und Monitore sind keine besten Freunde.

Alle Gebiete die in der Karte grün markiert sind, wird am 29. März 2017 auf DVB-T2 umgestellt. Alle DVB-T1 Empfänger sind ab diesem Zeitpunkt nicht mehr verwendbar. Stand: Nov. 2016 | Quelle: dvb-t2-portal.de/

Wie dem auch sei… DVB-T, dass Überall-Fernsehen, ging am Ende auch gar nicht so wirklich „überall“. Mit den kleinen Stabantennen kämpfte man am Ende genau sowie mit den einst größeren Zimmerantennen und musste oft auch den richtigen Platz finden bzw. den Standort immer mal wieder leicht verändern. Das Wetter spielte eine klare Rolle über guten oder schlechten Empfang. Im Grunde hätte man analog auch belassen können, zumal da noch das Wort „HD“ immer mehr Präsenz gewann. Zwar waren 2003 noch viele Geräte „nur“ HD Ready (also besaßen keine maximale HD Auflösung), dennoch war HD da und wurde immer weiter vermarktet. Die Zeiten von so genannter „SD-Auflösung“ (Standard Definition) waren im Grunde mit der Einführung von DVB-T schon gezählt und genau hier ist der Grund, warum man nun im Jahr 2017 bis 2019 eine Umstellung auf das neue DVB-T2 durchführen wird, welches bereist seit dem 31. Mai 2016 zu empfangen ist. Berlin wird zu den ersten Städten gehören, in dem DVB-T(1) komplett abgeschaltet wird für den Nachfolger DVB-T2 und zwar zum 29. März 2017. Wer bis dahin keinen neuen Receiver gekauft hat, wird also am 29. März schwarz sehen statt Fernsehen. Natürlich soll DVB-T2 noch besser sein als sein Vorgänger… Statt SD sind nun alle Sender endlich in HD und statt Stereo-Ton kann man nun auch Dolby Digital (also Kinosound) empfangen, wenn man denn auch die passenden Lautsprecher besitzt. Somit wird also Bild und Ton schon einmal deutlich besser im Vergleich zum Vorgänger, was sicher löblich ist. Ob die Empfangskrankheiten von DVB-T(1) besser werden, darüber liest man aktuell nicht so viel. Tja und das war es auch schon an Vorteilen. Die Liste der Nachteile wird hingegen etwas länger…

DVB-T2 – Ein neuer Zwangsstandard für Fernsehen aber viele Nachteile für den Kunden
Die Liste der Nachteile ist eigentlich erschreckend. Natürlich muss jeder, der DVB-T2 empfangen möchte, sich erst einmal einen neuen Empfänger kaufen, die natürlich nun einiges an Geld kosten, da ja hier alles „neu“ ist. Gute Geräte kosten durchaus 100 Euro aufwärts, einfache Geräte um die 60 Euro. Alte Empfänger sind ab der Umstellung im übrigen nur noch Elektroschrott, da das „alte“ DVB-T komplett abgeschaltet wird. Damit sind jedoch noch nicht alle möglichen Kosten bedient, denn wer mehr als nur die öffentlich rechtlichen TV Sender wie ARD, ZDF und Co. ansehen möchte, die wir ja bereits mit der verpflichtenden Zahlung an den Beitragsservice abdecken, muss monatlich oder jährlich in die Tasche greifen. So kostet der Empfang der privaten Sender wie RTL, Sat 1, Pro 7 usw. rund 6 Euro im Monat bzw. 70 Euro im Jahr zusätzlich und das pro Empfangsgerät. Wer also zwei Fernseher besitzt mit zwei Empfängern oder einen Fernseher und einen USB Stick für den mobilen Empfang, zahlt doppelt (12 Euro im Monat / 140 Euro im Jahr). Dafür verspricht man eben Empfang in HD Qualität für den Kunden bei allen Sendern. Eine Wahl überlässt man den Kunden hingegen nicht, denn wer weiterhin auf HD verzichten kann, bekommt bei DVB-T2 kein bisher gewohntes frei empfangbares SD Signal mehr. Also gilt die einfache Regel: Zahle für mehr, oder bekomme nur das für was du eh schon zahlen musst. Fernsehen wird mit DVB-T2 de facto eine 2 Klassen Gesellschaft!
Doch damit noch nicht genug an Einschränkung, denn die privaten Sender hohlen sich mit der neuen Technik auch noch mehr Kontrolle heraus. Wie wir alle wissen, leben die privaten Sender eigentlich von der Werbeschaltung, die in den Sendungen oder Spielfilmen gezeigt wird. Wir alle sind inzwischen den Komfort gewohnt, dass man hier einfach die Pausentaste drückt, wenn man mal eine Pinkelpause machen möchte und der Gewinn war dabei, dass wenn dann mal die Werbung kam, man einfach etwas vorspulen kann. Oder man nimmt einfach auf, um erst dann zu schauen, wenn man wirklich Zeit hat. Auch hier kann man bisher bei potentiellen Werbeblöcken vorspulen. DVB-T2 macht mit diesem Komfort Schluss, denn das Vorspulen bei Werbung ist hier nicht mehr möglich. Eine Technik die übrigens bei IP-TV (Fernsehen über das Internet) schon seit längeren genutzt wird. Zurückgespult ist aber weiterhin erlaubt. Das ist besonders schön, wenn man aus Versehen dann doch mal die falsche Taste erwischt. Ebenfalls kann auch das aufnehmen von Sendungen unterbunden werden, wobei ich dies bei IP-TV noch nie erlebt habe. Wie es mit Aufnahmen auf den Computer aussieht (z.B. mittels der Software „Eye-TV“ am Mac), also ob man diese nachträglich schneiden oder überhaupt weitergeben kann, ist mir nicht bekannt. Da HD Aufnahmen verschlüsselt werden, ist auch hier eine weitere Restriktion denkbar und kann eine Weitergabe an dritte verhindern. Für den Empfang am Computer sieht es derzeit eher mau aus. Es gibt zwar schon erste DVB-T2 USB Sticks, diese können aber noch keine verschlüsselten Sender empfangen. Geräte die dies können, sollen folgen. Wie es diesbezüglich am Mac aussehen wird, steht in den Sternen.

Fernsehen nur noch gegen bares? Wer mehr Sender sehen will als nur die öffentlich rechtlichen, muss 70 Euro im Jahr zusätzlich zum Beitragsservice der ARD/ZDF zahlen und das derzeit pro Empfänger und nicht pro Haushalt. 

Warum hört man so oft von Freenet, wenn es um DVB-T2 geht?
Freenet hat sich als privater Anbieter die Rechte für die Abwicklung des Empfangs der privaten Sender gesichert. Sie kümmern sich um das verschlüsseln und das „eintreiben“ der Mietgebühren für das entschlüsseln am Empfangsgerät. In der Tat handelt es sich bei Freenet um das selbe Unternehmen das auch Mobilfunkverträge aller großen deutschen Anbieter als Eigenmarke vermittelt und auch vor ein paar Jahren die Handelskette „Gravis“ übernommen hat.
Wenn man zum Anbieter „Freenet“ sich mal den Artikel auf Wikipedia durchliest, wird einem mit gesundem Menschenverstand hingegen etwas schwindelig.
So hat das Unternehmen nicht nur diverse Firmen geschluckt, sondern in der Vergangenheit auch recht rabiate Mittel ggü. der Presse verwendet, die negativ über das Unternehmen berichtet hat aufgrund dubioser Geschäftspraktiken ggü. Freenet Kunden. Nutzer die mit Freenet im Internet gesurft haben, erlebten durch den Anbieter zum Teil eine Zensur in Eigenregie und wurden bei bestimmten Abrufen von Adressen im Netz kommentarlos umgeleitet und bekamen somit nur das zu sehen, was Freenet als angemessen sah (seihe z.B. Artikel bei heise.de aus 2004).
Auch wenn dieser Vorfall aus 2004 stammt, stelle ich mir durchaus die Frage wie vertrauenswürdig so ein Unternehmen mit der Aufgabe umgeht, den kostenpflichtigen Empfang privater Sender zu verwalten. Ich freue mich schon auf die ersten Kundenberichte über Probleme mit Freenet im Zusammenhang mit DVB-T2.
Stefan Schinzel, Leiter des Produktmanagement der TV-Plattformen von Media Broadcast (die auch für Freenet verantwortlich sind) sagt übrigens zum Thema; Empfang auf mehreren Geräten

„Im Moment bezieht sich die Freischaltung von freenet TV immer auf ein Empfangsgerät (TV Modul, Receiver, USB-Stick). Wir sind aber gerade dabei, weitere Angebotsformen zu prüfen, um den Kunden in Bezug auf Umfang und Laufzeit zusätzliche Optionen bieten zu können. Über mögliche Preise und Termine kann ich heute noch keine Auskunft geben.“ (Quelle: giga.de). 
Stefan Schinzel, Media Broadcast

Ein Unternehmen, dass seit vielen Jahren im Bereich der Kommunikation tätig ist und als Firma den Namen „Media Broadcast“ trägt, hat also seit der Einführung von DVB-T2 vor einem Jahr (und nicht die Vorplanung vor dem Start vergessen) bis heute noch keine klare Idee und Umsetzung gefunden, wie man den zahlenden Kunden weitere Optionen anbietet, wenn er mehr als nur einen Empfänger hat. Na dann… Hals und Beinbruch liebe Fernsehzuschauer.

Fazit:
DVB-T2 ist eine neue Art dem Kunden das Geld aus der Tasche zu ziehen. Eigentlich erstaunt es mich, dass unser Staat dieses System so duldet, doch spätestens seit der Einführung des „Beitragsservice“, wo man Service vergeblich sucht, ist eigentlich klar wo Fernsehen in Deutschland inzwischen angekommen ist. Und nun legt man eben noch einen drauf und die privaten Sender glauben wirklich, dass man durch weitere Zahlungsverpflichtungen den Zuschauer begeistern kann? Und genau die Leute die wohl das größte Publikum der privaten Sender ausmachen, sind jene Menschen die es nicht so dicke im Portmonai haben. Nun greift man ihnen auch noch das letzte Geld aus der Tasche, damit sie weiterhin der inszenierten Schwiegertochter zusehen können, wie sie ihren perfekten Bauernmann sucht. Da kann man doch nur hoffen, dass dieses Geschäftsmodell den privaten Sendern gewaltig auf den Fuß fällt. Und liebe normal verdienenden Eltern, lasst euch bloß nicht unter den Druck setzen wenn das eigene Kind nicht die tollen Zeichentricksendungen auf RTL2 sehen kann, wie der beste Freund Max, dessen Eltern beide als Arzt tätig sind.

Übrigens: Auch der Verbraucherschutz kritisiert die Umstellung auf DVB-T2 und die zusätzlichen Kosten.

Verschlüsselung des Privatfernsehens und Elektroschrott Dass die privaten Sender ihre Programme künftig verschlüsselt ausstrahlen, haben wir an DVB-T2 früh kritisiert. Denn Fernsehen ist durch Rundfunkgebühren oder Werbeeinnahmen finanziert. Jetzt kommen auf Verbraucher fürs private Fernsehen aber weitere Kosten zu. Kritisch sehen wir auch, dass nun zahlreiche Receiver nicht mehr taugen und durch die Umstellung viel Elektroschrott anfällt.
Verbraucherschutz

Weitere Infos rund um DVB-T2

Offizielles Empfangsportal

Infos zu DVB-T2 von Freenet (Mobilcom / Debitel)

• Artikel bei heise.de zu Freenet von Februar 2004

2 Comments

  1. keinezeit
    22. März 2017 @ 13:33

    Reply

  2. Emma-Wilma
    27. März 2017 @ 16:06

    Komischerweise wird über die Zwangswerbung mangels Vorspulmöglichkeit nur sehr selten berichtet. Die bessere Bildqualität wird stattdessen immer wieder angepriesen. Die privaten Sender hatten bei ihrer Planung allerdings Netflix und Co. nicht auf Ihrer Rechnung.
    Beispiel: Freie Programmwahl ohne Werbeunterbrechung für ca. 10 Euro ( jederzeit flexibel kündbar )
    Das wird zum Intelligenztest für die Zuschauer und die sind schlauer als man denkt…

    Reply

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