Die zwölfjährige Myung-eun (Moon Seung-a) sitzt mit ihrem Bruder und ihren Eltern beim essen. Es gibt heute Krebse. Im Hintergrund läuft der Fernseher und es wird über ärmere Menschen berichtet, denen man mit einem Anruf eine Spende zukommen lassen kann. Als sie ihre Eltern fragt ob sie anrufen darf, beginnt ihre Mutter sich darüber zu echauffieren. Sie haben hart gearbeitet für das was sie nun haben und alle anderen haben auch diese Möglichkeiten und eigentlich sei es nun auch unnötig so ein opulentes Mahl zu sich zu nehmen, aber ihr Vater wollte ja unbedingt was besonderes kochen.
Myung-eun ist ein völlig anderer Mensch, sie glaubt so gut wie überall an das Gute und das obwohl ihre Eltern vielleicht nicht die besten Vorbilder sind. Sie sind ihr in gewisser Hinsicht sogar peinlich, da ihre Arbeit für südkoreanische Verhältnisse eher wenig repräsentativ ist. Ihre Mutter besitzt einen festen Fischstand auf dem Markt und ihr Vater arbeitet für seine Frau bzw. legt sich dort lieber auf die Bank und schläft eine Runde.
Als alle Kinder in der Schule einzeln vor der Lehrerin (und somit auch vor der gesamten Klasse) berichten müssen, was ihre Eltern beruflich tun, versucht sich Myung-eun vor dem Gespräch zu drücken. Schon im Vorfeld hatte sie einen Brief verfasst an ihre Lehrerin die sie sehr schätzt, doch dieser blieb zum Leid von Myung-eun ungelesen und auch ihr Versuch Kopfschmerzen vorzutäuschen um zur Schulkrankenstation zu flüchten, geht nach hinten los und sorgt nur dafür das sie nun als nächste berichten muss. Aus der Situation heraus erfindet sie dann eine Notlüge und berichtet, das ihr Vater für eine Papierfabrik arbeiten würde die zum Beispiel Schulhefte macht und ihre Mutter sei Hausfrau (Anm. aus der Q&A: In den 90er Jahren war es noch üblich, dass die Kinder zu ihren Eltern vor der Klasse befragt wurden, heute findet dies nicht mehr statt). Diese instruierte Familiensituation muss sie nun aber irgendwie aufrecht erhalten, damit die anderen bloß nichts falsches von ihr denken.
Da ist die nahende Wahl zur Klassensprecher(in) natürlich eine willkommene Chance und auch hier ergreift Myung-eun Initiative und kann am Ende sogar gewinnen, indem sie ihren Mitschülern verspricht das sie sich für alle schriftlichen Wünsche und Geheimnisse die in ihre Wunschbox kommen, diese gelesen und auch umgesetzt werden. Von nun an täglich leert sie die Box, findet immer neue Zettel vor die sie gemeinsam mit ihrer Lehrerin durchgeht. In der Klasse beginnen sogleich die versprochen Veränderungen und es werden von nun an zum Beispiel gemeinsam Geburtstage gefeiert, eine kleine Bücherei angelegt, der Alltag fotografisch festgehalten usw. Die Klassengemeinschaft blüht förmlich auf, was sogar der Schuldirektor wohlwollen anerkennt und am Ende sogar die Klassenlehrerin lobt, die alles als ihre Idee verkauft. Was jedoch keiner mitbekommt… Die meisten Zettel hat Myung-eun selbst verfasst. Zum einen schreibt sie sehr gerne und zum anderen sprudelt sie nur so von Ideen und die kommen ja auch alle sehr gut an.
Ihre Euphorie wird allerdings schnell durch Neid gebremst, als sie eines Tages zur Schule kommt und auf dem Schreibtisch der Lehrerin ein Geschenk liegt. Kurz darauf steht ein Mitschüler am Lehrertisch und führt immer wieder längere Dialoge mit der Lehrerin. Besagter Junge ist auch noch Klassenpräsident und das er nun immer wieder bei der Lehrerin vorstellig ist und angeregt diskutiert, passt Myung-eun absolut nicht in den Kram.
Es geh sogar soweit, das sie aus all ihrer gesammelten Unruhe in der Klasse einen emotionalen Zusammenbruch erleidet und verkündet, das sie ihre Stelle als Klassensprecherin nicht mehr weiterführen möchte. Ihre Lehrerin kann sie jedoch vom Gegenteil überzeugen und lenkt das Mädchen geschickt auf die Teilnahme an einem Schreibwettbewerb. Myung-eun nimmt das Angebot etwas zurückhaltend an, verschwindet dann aber hinter Bücherstapeln um sich tiefgreifender mit der Rettung der Erde zu befassen. Auch hier packt sie schnell das „Helfersyndrom“ und so besteht sie von nun an darauf, das zuhause ab sofort der Müll akribisch zu trennen ist, was aber eher auf wenig Gegenliebe seitens der Mutter stößt.
Für ihren Text erhält sie eine silberne Urkunde, mit der sie überglücklich zu ihren Eltern geht um diese zu präsentieren. Für einen Moment sind die Eltern stolz, doch letztlich wertet ihr Vater den Glücksmoment seiner Tochter schnell wieder ab und meint, Myung-eun solle sich nicht einfach mit einer silbernen Urkunde zufrieden geben, sie hätte eine goldene holen sollen. Das packt ihren Ehrgeiz, doch wird dieses Ziel erschwert als in der Klasse eine neue Mitschülerin auftaucht, die gemeinsam mit ihrer Schwester neu auf der Schule ist. Die Blicke ihrer neuen Mitschülerin wirken emotionslos und es stellt sich schnell heraus, das es nicht der erste Schulwechsel ist, den diese beiden Mädchen erlebt haben. Bei der Frage welchen Beruf ihre Eltern ausführen, antwortet sie kurz und bündig ihr Vater sei verstorben und ihre Mutter ist als prostituierte tätig. Während der Lehrerin dezent die Gesichtszüge entgleisen, geht ein Raunen durch die Klasse was denn eine Prostituierte sei.
Myung-eun erhält zu ihrer Freude eine zweite Anfrage für einen Schreibwettbewerb und als sie mit ihren Recherchen beginnen möchte, findet sie in der Bücherei zum ersten mal zwei andere Mitschülerinnen vor, die beiden Neuankömmlinge. Mit schnellem Schritt zieht sie an ihnen wortlos vorbei, jedoch hat sie offensichtlich schon eine gewisse Vorahnung.
Als die Preise verkündet werden, gewinnen die beiden Mädchen den goldenen Preis und von der Neugierde gepackt, sucht Myung-eun nun Kontakt zu den beiden um zu erfahren, wie sie das gemacht haben mit ihrem Text. Das Geheimnis liegt darin, so die beiden, das man einfach die Wahrheit erzählt denn das kommt bei der Jury gut an. Diesem Rat möchte Myung-eun gerne folgen, schreibt schließlich für einen Wettbewerb der für alle Schulen des Landes ausgeschrieben wurde alles über ihre Familie und was sie von ihnen hält. Sie bekommt damit den höchsten Preis und ihr Gewinn wird sogar in der Presse verkündet, was ihr allerdings nicht klar war ist, dass ihr Text nach der Zeremonie auch noch in der Zeitung veröffentlicht werden soll. Als ihr bewusst wird das nun wirklich jeder ihren Text lesen kann, auch ihre Familie, setzt sie alle Hebel in Bewegung diese Auszeichnung rückgängig zu machen, denn ihre Eltern bloßstellen möchte sie natürlich nicht.
Fazit:
Der Film hatte unglaublich viele Nuancen in ganz verschiedenen Situationen und all das nun in eine Review zu schreiben, ohne dabei die gesamte Geschichte zu erzählen, das war mal eine echte Herausforderung bei diesem Werk. Ich habe jede Minute dieses Films in vollen Zügen genossen, den hier war einfach alles stimmig und unterhaltsam. Die Regisseurin beweist viel Feingefühl mit ihren gewählten Charakteren so wie den Drehorten. Die schauspielerische Leistung von Moon Seung-a als Myung-eun ist beachtlich, da ihre Rolle extrem Vielseitig gestrickt ist.
Ein klarer Favorit auf meiner Liste für die diesjährige Berlinale.
Darsteller:
Moon Seung-a (Myung-eun)
Jang Sun (Kyung-hee)
Lim Sun-woo (Ae-ran)
Kang Gil-woo (Sung-ho)
Lee Dong-chan (Gi-nam)
Kwak Jin-moo (Jin-woo)
Jang Jae-hee (Hye-jin)
Moon Seo-hyeon (Ha-yan)
Choi Hyun-jin (Min-kyu)
Regie:
Lee Ji-eun
Infos zum Film:
https://www.berlinale.de/de/programm/programm/detail.html?film_id=202203673