Shenxiu reist gemeinsam mit ihrem Vater, ihrem kleinen Bruder und ihrer Stiefmutter über das große Meer. Das Schiff macht einen recht abenteuerlichen Eindruck, alles wirkt grau und Shenxiu sieht alles andere als wirklich Glücklich aus. Nur für ihren Bruder hat sie mal ein kurzes Lächeln übrig, ansonsten versteckt sie sich lieber in einen übergroßen roten Pullover mit Kapuze.
Während ihre Eltern gerade von einem Entertainer des Schiffes etwas bespaßt und vor einer Kamera rumalbern, schweift ihr Blick über das weite Meer und in Gedanken verweilt sie lieber bei ihrer Mutter, die sie gerne wieder sehen würde.
Im Anschluss sehen wir die Familie am Tisch eines Bordrestaurants sitzen und sie feiern einen besonderen Anlasst, denn der kleine Sohn wird bald in den Kindergarten gehen. Und während die beiden Eltern diesen Moment des Glücks mit voller Aufmerksamkeit gegenüber des kleinen Wonneproppen ausleben, liest Shenxiu heimlich unter dem Esstisch eine Nachricht von ihrem Handy, in der ihr der Mobilfunkanbieter zum Geburtstag gratuliert. Zurück auf ihrem „Zimmer“ schaut sie sich auf ihrem Handy ein altes Video an, wo sie als Kleinkind von ihren Eltern zum Geburtstag gefilmt wurde. Als der Film zu Ende ist, blickt sie durch das kleine Schiffsfenster nach draußen, wo inzwischen ein starker Sturm wütet. Sie begibt sich bei dem miserablen Wetter dennoch nach draußen und entdeckt kurzerhand einen Fisch der auf dem Deck liegt. Sie greift beherzt nach dem Tier und bewegt sich in Richtung Reeling, welche für einen kurzen Moment von einer großen Gischt überzogen wird… Dann fehlt von dem Mädchen jede Spur.
Als sie ihre Augen wieder öffnet hört sie eine Stimme die sie ruft, sie selbst hängt dabei auf einer übergroße Gummiente und treibt durch ein absolut farbenfrohes Meer so das sie aus dem Staunen kaum herauskommt, bis sie erneut eine Stimme wahrnimmt. Im Wasser bemerkt sie ein Fabelwesen das ständig seine wollknäulartige Form verändert und sie mit vielen wandernden und sich ständig in der From veränderbaren Augen anblickt. Dann gibt dieses Wesen, welches Hyjinx genannt wird, die Worte „Mama“ von sich. Shenxiu schöpft Hoffnung das dieses Wesen ihr den Weg zu ihrer Mutter zeigen wird und folgt ihm. Das Ziel des kleinen Wesens ist ein äußerst sonderbarer Ort, eine art U-Boot mit einem großem Turm drauf und alles ist mit bunten Korallen übersäht. Am Eingang des Turmes steht „Restaurant“ und nachdem Shenxiu sich in der großen Eingangshalle befindet, beobachtet sie einige sonderbare Gestalten die sich herablassend über das dortige essen unterhalten und das prompt negativ in sozialen Netzwerken bewerten. Als Shenxiu den Wesen näher kommt und sie somit genauer erkennen kann, entpuppen sie sich als ziemlich große Fische oder Walrosse die opulent gedeckten Tischen sitzen. Als sie Shenxiu bemerken sind sie sichtlich angewidert von ihr und wollen sie umgehend verjagen, doch sie bekommt schnell Unterstützung von ihrem kleinen neuen schwarzen Freund der auf einmal zu einem gigantischen Monster heranwächst und das ganze Boot ordentlich durcheinander wirbelt. Es strömen schließlich gigantische Massen an Wasser durch die Gänge die auch letztlich das Mädchen mitreißen.
In jenen Gängen hält sich auch gerade der recht neurotische Besitzer des Schiffes auf, der dort als einziger Mensch der gesamten Besatzung existiert. Während er sich gerade lauthals über die schlechten Bewertungen aufregt und darüber nachdenkt welches sein nächstes perfektes essen sein könnte, kommt die donnernde Welle samt Shenxiu auf ihn zugerast und reißt auch ihn mit. In diesem Augenblick begegnen sich Shenxiu und Nanhe zum ersten mal. Nanhe kann durch besondere Fähigkeiten das aufgebrachte „Wollknäulwesen“ einfangen und ist sichtlich begeistert über seinen Fund, denn der findige Koch wittert ein äußerst exklusives Rezept das ihn viel Geld einbringen wird um seine Schulden begleichen zu können. Er will seine berühmte Knotensuppe kochen das durch die Beigabe des „Wollknäul“ so richtig sein Geschmackserlebnis entfalten wird, ein Vorhaben von dem Shenxiu nicht so ganz begeistert ist.
Zwischen Nanhe und Shenxiu entsteht im Verlauf der nun ziemlich temporeichen Geschichte und sehr vielen visuellen Eindrücken eine gewisse Bindung oder sagen wir lieber, Abhängigkeit. Auch wenn Nanhe das Mädchen lieber loswerden möchte, da das Kind fortlaufend den hektischen Betrieb und die Gäste stört, sorgt er parallel immer wieder für Momente wo er sie beschützt oder zu etwas motiviert. Vor allem als auf einmal das ziemlich mächtige rote Phantom auftaucht, eine flüssige Masse die durch die sonst so farbenfrohe Welt treibt und immer genau dann auftaucht, wenn Shenxiu unglücklich bzw. traurig wird, was nicht selten der Fall ist. Nanhe beschließt letztlich das er gemeinsam mit Shenxiu die Reise zum Auge der Tiefsee antreten wird, denn dort wird nicht nur das Mädchen seine Mutter wieder finden sondern er wittert dort erneut den großen Gewinn an jenem magischen Ort, dessen Reise dorthin aber keine leichte sein wird, denn das rote Phantom wird immer größer, ist ihnen ständig auf den Fersen und versucht mit allem Mitteln dieses Vorhaben aufzuhalten.
Als sie das Ziel schließlich mit letzten Kräften erreichen, beginnt vor allem für Shenxiu ein äußerst intensiver, kraftvoller und emotionaler Kampf ums überleben.
Fazit:
Shen Hai ist wirklich ein sehr farbenfrohes visuelles Kunstwerk geworden dessen Genuss allerdings durch phasenweise extrem hektische und unübersichtliche Parts etwas getrübt werden kann. Ein Umstand für den sich sogar der Regisseur im Q&A ein wenig entschuldigt hat. Das ist beinahe ein bisschen schade, denn der Film hätte sicherlich nichts an seiner Wirkung verloren, wenn man es einen Tick ruhiger angegangen wäre. Natürlich ist es mir durchaus geläufig, das Anime-Filme gerne mal mit hektischen Parts aufwarten, aber hier passte es halt einfach nicht so ganz in das Gesamtbild. Erfreulicher weise gibt es aber immer wieder Inseln einer gewissen Ruhe, wo man sich als Zuschauer wieder etwas sammeln kann um der Handlung weiter zu folgen. Gegen Ende nimmt der Film vor allen Emotional noch einmal richtig fahrt auf und punktet mit einem wirklich beeindruckenden Finale, welches mit einer erstaunlichen Überraschung aufwarten kann und all das gesehene nochmal in ein ganz anderes Licht rückt. In meinen Augen wird vor allem das rote Phantom zu einem wirklich bitteren Gegner befördert und erhält damit einen ganz besonderen Stellenwert in diesem Film. Und selbst der Abspann führt die Geschichte noch ein kleines Stück weiter anhand von recht einfach gehaltenen Zeichnungen aus dem aktuellen Leben nach der äußerst ungewöhnlichen Reise von Shenxiu.
Abschließend noch etwas zum technischen des Films, was aber nicht den Film bewerten soll. Dieser wurde in 3D gezeigt, allerdings empfand ich die Intensität der 3D Effekte erstaunlicher weise nicht so beeindruckend wie ich es für so ein Projekt erwartet hatte. Ich habe mit mehr Popout Effekten gerechnet, die bei bestimmten Szenen wirklich hervorragend passen würden. Interessant wäre natürlich mal so ein direkter Vergleich in 2D und 3D. Sicherlich sorgt der 3D Effekt aber dennoch in vielen Szenen für deutlich mehr Raumtiefe in den weiten des Meeres.
Darsteller:
Wang Tingwen (Shenxiu)
Su Xin (Nanhe)
Teng Kuixing (Chief Mate)
Yang Ting (Stiefmutter)
Ji Jing (Mutter)
Fang Taochen (Sweet Bean)
Regie:
Tian Xiaopeng
Weitere Infos zum Film:
https://www.berlinale.de/de/2023/programm/202307350.html
Trailer:
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