Morgen kommt deine Mutter dich abholen, erzählt die Pflegemutter der 10 jährigen Lu, während im Hintergrund noch andere Kinder herumwuseln. Ob sie sich denn nicht freuen würde, fragt dann ein anderes Kind, doch Lu verlässt erstmal schweigend das Haus und während sie die Straße entlangläuft, entlädt sich schließlich doch noch ihre Vorfreude auf den angekündigten Besuch.
Ob sie sich erinnern würde, wann ihre Mutter das letzte mal zu besuch da war, wird sie am Abend im Bett von einem anderen Kind in ihrem Zimmer gefragt. Sie kann sich nicht erinnern, aber sie erzählt stolz davon das ihre Mutter eine berühmte Hollywoodschauspielerin ist und sogar ihre Stunts selbst macht.
Es vergehen allerdings zwei weitere Tage bis ihre Mutter auftaucht. Entsprechend verhalten sind die Reaktionen beim Wiedersehen seitens Lu. Als ihre Mutter schließlich sagt sie solle mit ihr mitkommen, reagiert Lu etwas verunsichert, zumal sie gerade niemanden fragen kann da alle anderen kurz zuvor zum schwimmen losgegangen sind. Doch es ist nunmal ihre Mutter und so hinterlässt sie einen Zettel mit der Info das sie am Abend wieder zurück sein wird, nimmt ihren Rucksack und packt noch schnell ihren wohl wichtigsten Freund mit rein, eine kleine Schlange (Natter) die sie Hank getauft hat.
Sie könnten ja gemeinsam in die Stadt gehen, schlägt Lu vor während sie die Straße entlanglaufen, allerdings müssten sie dazu in die andere Richtung gehen, fügt sie dann noch mit an. Doch Karina hat offensichtlich andere Pläne die sie vorerst nicht ausspricht und bringt beide zu einem alten abgerockten Chevrolet, bei dem sich nicht einmal die Beifahrertür richtig öffnen lässt. Während der Fahrt trudeln dann langsam die ersten Anrufe der recht fürsorglich wirkenden Pflegemutter ein, die sie vorerst ignoriert da ihre Mutter darum gebeten hatte, mit niemanden über ihren besonderen Trip zu reden. Am Ende macht dann auch der Akku schlapp. Dennoch weist sie irgendwann ihre Mutter darauf hin, das sie bis zum Abend wieder zurück sein sollten, doch Karina hat ganz andere Pläne. Sie erklärt das sie nun gemeinsam von den Niederlanden nach Polen reisen werden, denn dort lebt Lu’s Oma und sie möchte dort verstecktes Geld aus der Wohnung holen, mit denen sich die beiden ein sorgenloses Leben machen können. Ein Plan der sich zwar nicht so ganz mit den Erwartungen von Lu deckt, doch sie willigt letztlich ein, schließlich ist es ja ihre Mutter.
Damit die beiden nicht von jeden erkannt werden, müssen sie sich laut Angaben der Mutter noch neue Namen geben und sich am besten auch noch verkleiden. Aus diesem Grund hat Karina eine Auswahl an Perücken im Gepäck und schlägt vor, das die beiden sich von nun an Bonnie und Clyde nennen wie im Film, den Lu allerdings nicht kennt. Für Lu wirkt das ganze zum einen sehr merkwürdig was da alles passiert, auf der anderen Seite verspürt sie eine aufregende Abwechslung vom sonstigen Alltag, wenngleich man immer wieder den Kampf mit ihrem Gewissen in ihrem Handeln erkennen kann. So nutzt sie die eine oder andere Gelegenheit um heimlich mit der Pflegemutter in Kontakt zu bleiben um zu berichten, das alles ok ist und etwas länger dauert.
Während des gemeinsamen Roadtrips hat Karina immer wieder einige schrullige Ideen auf Lager, um ihre Tochter bei der Stange zu halten. So wirft sie zum Beispiel von einen auf den anderen Moment ihr Handy aus dem fahrenden Auto mit den Worten, das sie von nun an auch niemand mehr stören kann. „Nur du und ich“ sind dabei ihre Worte. Doch so spassig der Trip auch wirken mag, ganz unkompliziert ist die Reise mit der recht sprunghaften Mutter nicht. Das ist Lu durchaus bewusst, aber sie will einfach mehr Zeit mit ihrer Mutter verbringen und aus diesem Grund lässt sie sich auf einige andere Dinge ein, die sie so bisher vermutlich noch nie gemacht, geschweige denn erlebt hat.
Fazit:
Mir ist Kiddo insbesondere durch seinen recht ungewöhnlichen Filmstil positiv aufgefallen und er kann mit einigen lustigen aber auch nachdenklichen Parts aufwarten. Die Kombination aus pflichtbewussten Kind und vogelfreier Mutter birgt einfach ein schönes Potential für eine verrückte Geschichte, denn eigentlich sollte es ja genau andersherum sein.
Auch kommt der Film mit einigen schönen Details daher. Bestimmte Elemente werden gezielt mit Sounds untermalt wenn sie in den Fokus der Geschichte rücken, die Gedanken von Lu werden in einem 4:3 Format auf der Leinwand dargestellt und zeigen symbolisch verschiedene kleine Ausschnitte aus der Film- oder Fernsehwelt, die Mutter hat eine große Vorliebe für alte Schwarzweißfilme, die gewählte Vorführtechnik wirkt wie ein alter 70mm Film und es gibt einen running Gag mit einen Jungen mit einer wunderbaren Mimik der immer genau dort auftaucht, wo sich die beiden gerade niederlassen und nichts anderes tut als ständig etwas anzuzünden. Das ganze verpasst Kiddo im gesamten einen ganz besonderen Charm und hebt ihn von dem einen oder anderen Roadmovie ab.
Darsteller:
Rosa van Leeuwen (Lu)
Frieda Barnhard (Karina)
Lidia Sadowa (Karinas Cousine)
Maksymilian Rudnicki (Grzegorz)
Aisa Winter (Pflegemutter)
Regie:
Zara Dwinger
Weitere Infos zum Film:
https://www.berlinale.de/de/2023/programm/202304726.html
Trailer:
Trailer KIDDO by Zara Dwinger from Studio Ruba on Vimeo.