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Berlinalereport – Karera ga Honki de Amu toki wa

5 Minuten Lesezeit

Titel: Karera ga Honki de Amu toki wa | Close Knit

Über den Film:
Mit ihren 11 Jahren ist Tomo (Toma Ikuta) mehr auf sich alleine gestellt, als ihr lieb ist. Ihre Mutter lebt ein ganz eigenes Leben, kommt meist spät nach Hause, ist dann meist betrunken und spricht kaum mit ihrer Tochter. Das dieses Leben keine Idylle für Tomo ist, wird schnell klar, denn die Wohnung wirkt alles andere als aufgeräumt und statt vernünftigen Mahlzeiten gibt es täglich trockene Onigiri (Reis mit Füllung, ummantelt mit Algenblättern) aus dem Supermarkt, dessen Verpackungen sich schon hoch im Mülleimer stapeln. Tomo lebt aber mit diesem Alltag, geht selbstständig zur Schule, pflegt ihre Freundschaften… bis ihre Mutter sie schließlich komplett verlässt und lediglich ein bisschen Geld zurück lässt für das Kind. So landet Tomo letztlich bei ihrem Onkel (Kenta Kiritani), der in einem größeren Buchladen arbeitet. Als Tomo ihre ausgesuchten Comics bezahlen möchte, fragt ihr Onkel sie an der Kasse nur „Schon wieder?“. Er bietet Tomo an, dass sie zu ihm kommen kann nach seinem Feierabend, was sie dankend annimmt. Auf dem Weg zu seinem zu Hause, hat ihr Onkel aber noch etwas wichtiges zu berichten.

Ein glückliches Familienleben wie Tomo es sich schon immer erträumt hat.

Er lebt nicht mehr alleine, hat jemanden ganz besonderes kennen gelernt. Jemand, der sehr speziell ist und anders, erzählt er. Seit einiger Zeit pflegt eine Beziehung mit einer Transfrau. Das überrascht Tomo natürlich, aber sie weis noch nicht so recht wo sie das einordnen soll.
Bei ihrem Onkel angekommen, erwartet sie Rinko (Rinka Kakihara) bereits an der Tür und ist dabei sehr herzlich und offen zu Tomo. Sie freut sich sichtlich über den Besuch des Kindes und ist sehr  bemüht, für ihr Wohlergehen zu sorgen. Tomo fühlt sich hingegen ziemlich überrumpelt von dieser Offenheit und auch der Fürsorge eines Menschen, der eigentlich ein Mann ist, aber als Frau dort steht. Auch die neue Lebensweise ihres Onkels wirkt auf sie sehr befremdlich, denn alles wirkt sehr ordentlich und selbst ihr Onkel kommentiert dies mir einem „Es hat sich viel verändert“.
Anfänglich geht Tomo mit Rinko eher auf eine gesunde Distanz, wohingegen Rinko eine sehr offene Persönlichkeit ist und der jungen Tomo am liebsten alles erzählen will, was mit ihrer Geschlechtsumwandlung zu tun hat und wie schön es nun als Frau ist.
Rinko zieht hier aber dann alle Register und möchte sich gegenüber Tomo so schnell wie möglich als sehr liebevolle Frau beweisen, was ihr mit kleinen netten Gesten auch stück für stück gelingt. Vor allem mit gutem Essen verzaubert sie das Mädchen… So hat Rinko zum Beispiel trotz Tomo’s Ablehnung am Vorabend eine kleine sogenannte Bento Box für die Schule fertig gemacht, die nicht nur akkurat in einer Decke eingewickelt war, sondern deren Inhalt auch wundervoll dekoriert wurde (In der Box war mitunter Reis zu kleinen Katzengestalten geformt und Würstchen sahen aus wie Tintenfische). Als Tomo die Box öffnete, war sie den Tränen sichtlich nahe. So viel Liebe hat sie von ihrer eigenen Mutter vermutlich noch nie erfahren. Sie war sogar so überwältigt, dass sie dieses Kunstwerk nicht einmal essen konnte.
Während Tomo sich bei ihrem Onkel und seiner Freundin immer wohler fühlt, sprach sich dies jedoch auch bei ihren Freunden in der Schule rum. Die Situation eskaliert schließlich, als jemand im Klassenzimmer auf eine Tafel niederschmetternde Äußerungen hinsichtlich ihrer neuen „Familie“ geschrieben hat. Tomo realisiert zum ersten mal, dass ihre neue und auch lieb gewonnene Normalität von vielen als abnormal gesehen wird und dafür strafen und starren sie ihre bisherigen Freunde abwertend ab, so das Tomo auf einmal wieder vom Gefühl her wieder alleine gelassen fühlt. Von Emotionen und Wut überrannt, rennt Tomo zurück in die Wohnung ihres Onkels und versteckt sich im Wandschrank, redet erstmal kein einziges Wort mehr. Lediglich Rinko findet letztlich wieder Zugang zu dem Kind und gibt ein paar ganz persönliche Dinge preis, mit denen „er“ einst zu kämpfen hatte und zum Teil immer noch kämpft.
Mit jedem dieser durchaus emotionalen Momente steigt auch die Bindung von Rinko zu Tomo und anders herum, so dass sie ihrem Freund eines Abends sogar offenbart, dass sie Tomo adoptieren sollten. Ein eigenes Kind werden die beiden schließlich nie bekommen. Doch so einfach gestaltet sich dieses Vorhaben nicht, denn zum einen muss Tomo das selbst entscheiden, die Schwester muss dem ganzen zustimmen und es gibt auch andere Personen, die gegen diese Familienplanung arbeiten, denn in deren Augen ist eine Transfrau gesellschaftlich nicht Konform und ein Kind hat hier erst recht nicht aufzuwachsen…

Tomo (mitte), ihr Onkel (links) und Rinko (rechts) beim Stricken. Das Stricken hat Rinko begonnen, um ein Ventil für Momente der Wut zu besitzen. Das kommt auch bei den anderen gut an.

Fazit: 
Close Knit (engl. Titel) ist eine sehr ergreifende Geschichte geworden, die mit einer angenehmen Gelassenheit an das Transgender-Thema heranführt. Mit der Zeit, wo man den Film auf der Leinwand betrachtet, vergisst man zum Teil sogar völlig, das Rinko eigentlich ein Mann ist. Doch es sind immer wieder dezent platzierte Details die dem Zuschauer zurück zur Wahrheit hohlen. In der Regel immer dann, wenn Rinko sie auch explizit anspricht bzw. aufzeigt. Sehr gut gelungen ist auch der Spagat zwischen Dramatik und Humor, was sich immer wieder im Wechselspiel befindet. Dennoch vergisst der Film auch nicht, kritische Stimmen laut werden zu lassen. Vor allem Vorurteile spielen hier eine große Rolle und werden in weiteren Handlungssträngen immer wieder aufgezeigt. Ich habe hier aber bewusst auf eine Erwähnung in meiner Filmbeschreibung verzichtet, da dies den Rahmen etwas sprengen würde.
Visuell überwältigte mich der Film ebenfalls durch die gewählten Drehorte und Perspektiven, wobei ich auch gestehen muss das mich Japan und seine Kultur schon seit einigen Berlinalejahren mit wachsenden Interesse anlockt.

Darsteller:
Toma Ikuta (Tomo)
Rinka Kakihara (Rinko)
Kenta Kiritani (Tomo’s Onkel)

Regie:
Naoko Ogigami

Infos zum Film inkl. kurzen Filmausschnitt:
https://www.berlinale.de/de/programm/berlinale_programm/datenblatt.php?film_id=201712228

Filmtrailer:

Kaufmöglichkeiten:
Die Standardversion gibt es auf DVD & Blu-ray.
Die Blu-Ray besitzt einen Regionalcode A (Deutschland hat B) und die DVD hat den Regionalcode 3 (In Deutschland 2). Englische Untertitel sind vorhanden. Als Kaufquelle kann ich auch empfehlen, bei eBay über die weltweite Suche zu suchen. Wichtig: Bei Händlern aus dem Ausland darauf achten, das die Mehrwertssteuer mit angegeben wird beim Kauf, da man sich sonst ggf. mit dem Zoll auseinandersetzen muss. Bei Unklarheiten immer vorher mit dem Händler in Kontakt treten, was auch noch einmal ein guter Check für die Seriösität sein kann.

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